Entscheidungen auf Tuga
Details
Willkommen zurück auf Tuga de Oro
Trotz der unerwarteten Offenbarung, wer Charlottes Vater ist, und trotz seines feindseligen Verhaltens ihr gegenüber, hat Charlotte ihren Aufenthalt auf der Insel Tuga verlängert. Sie liebt die wunderschöne Landschaft, hat die Inselbewohner in ihr Herz geschlossen, und ihre Beziehung mit Levi macht sie glücklich. Charlotte genießt die Freiheit, die die Insel im Gegensatz zu ihrem kontrollierten Leben in London bietet.
Doch London holt Charlotte wieder ein in Form ihrer Mutter, Lucinda Compton-Neville. Als die Anwältin erfährt, dass ihre Tochter länger auf der einsamen Insel bleiben will, beschließt sie, Charlotte wieder auf Kurs zu bringen und in ihr echtes Leben zurückzuholen.
Lustig, bewegend und voller Hoffnung ist »Entscheidungen auf Tuga« ein Roman über Mütter und Töchter, über die Liebe und über das Festhalten und Loslassen.
»Viel Atmosphäre, Sommerfeeling und ein Hauch Fernweh.« Oberhessische Presse, 21.07.2025
Autorentext
Francesca Segal, 1980 in London geboren, studierte in Oxford und Harvard und ist Journalistin und Kritikerin. Sie veröffentlicht u. a. im Granta Magazine, Guardian und Daily Telegraph, ist Kolumnistin für den Observer und Feuilletonistin für das Tatler Magazine. Ihr Debütroman Die Arglosen erschien 2013 und gewann zahlreiche Preise, u. a. den Costa First Novel Award und den National Jewish Book Award for Fiction. Bei Kein & Aber erschienen zudem Ein sonderbares Alter (2017), Mutter Schiff (2019) sowie Willkommen auf Tuga (2024), der Auftakt zur Tuga-Trilogie. Francesca Segal lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in London.
Leseprobe
Auf der ganzen Insel waren die Mütter nervös. Die Bäume in den Zitrushainen trugen gleichzeitig Blüten und Früchte, trotz der hohen Luftfeuchtigkeit während Island Close. Wie passend war es da, dass ausgerechnet unter ihren Ästen die Lustbarkeiten des Abends inszeniert wurden. Es war Tu B'Av, das Fest der Liebe, das jedes Jahr im August stattfand, bei Vollmond, in dessen weißem Licht Liebesgeständnisse gemacht, gebrochene Herzen riskiert, vertraute Gesichter mit neuen Augen betrachtet wurden. Es gab Lagerfeuer, Musik und ein Festmahl, denn der frisch gefangene Schnapper des Tages war nicht für den bescheidenen Export eingefroren worden, sondern kam der Insel zugute und wurde über rauchenden Ölfässern gegrillt. In den Bäumen hingen Laternen, und auf dem Boden waren traditionelle tuganische Decken ausgebreitet. Dazu boten weitverzweigte Äste Verstecke, in denen man Fehler begehen konnte. Im vergangenen Jahr hatte sich die neu eingetroffene Charlotte Walker entschuldigt und war in ihrem Häuschen geblieben, weil die mit romantischen Möglichkeiten aufgeladene Atmosphäre sie nervös gemacht hatte. Sie hatte sich den Abend als einen Rausch aus Mondschein, Zitrusrauch und stillschweigendem Einverständnis vorgestellt eine durchaus zutreffende Vision, wie sich jetzt herausstellte. Nur dass es in diesem Jahr keinen Ort gab, an dem sie lieber gewesen wäre.
An der improvisierten Bar goss Betsey Coffee kleine Mengen einer goldglänzenden Flüssigkeit in Marmeladengläser, die immer wieder ihren Weg von den Frühstücksbüffetts vorbeifahrender Kreuzfahrtschiffe auf die Insel zu finden schienen. Sie wurden überall neuen Verwendungsmöglichkeiten zugeführt, von Betseys Café bis zur Inselklinik. Etrog-Likör besaß die satte, grünlich goldene Farbe frischen Olivenöls und war dick wie Sirup. Er war stärker als Limoncello und wurde nicht aus den Früchten, sondern aus den berauschend duftenden Blättern hergestellt. Man trank ihn in einem Zug. Betsey drückte jedem, der vorbeikam, ein Gläschen in die Hand.
»Paz, Dr. Vet. Wissen Sie, was ich gerade gedacht habe? Wenn es ein Tier gibt, das Ihnen heute Nacht Probleme bereitet, dann die Moshaw-Eselin. Erfahrungsgemäß fohlen Eselstuten am liebsten bei Vollmond.«
»Danke«, sagte Charlotte und überlegte, ob sie den Likör heimlich hinter einen Baum kippen konnte. Betsey bemerkte ihr Zögern und schlug sich die Hand vor die Stirn.
»Grundgütiger, verzeihen Sie mir! Jetzt fällt mir wieder ein, dass Sie keinen Alkohol vertragen. Ich besorge Ihnen Fizzycan. Das war ein Abend neulich, was? Nach der Sause hätten Sie sicher keine fohlende Stute gebrauchen können. Sie hätten doppelt gesehen und dem Besitzer mitgeteilt, es seien Zwillinge!«
Charlotte musste sich peinlich berührt eingestehen, dass die Pensionierungsfeier des ehemaligen Inselarztes nicht gerade zu ihren Sternstunden zählte. Sie hatte an jenem Abend einen Schock erlitten und deshalb zu tief ins Glas geschaut, ein mildernder Umstand, den sie Betsey allerdings lieber nicht mitteilte. Die servierte in ihrem Café an der Harbour Street nämlich mit jedem Heißgetränk auch den neusten Klatsch und Tratsch, ein durchaus wohlmeinender Service für ihre Gäste. Charlotte wollte den Grund für ihren Schock unter keinen Umständen publik machen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie auch ihre eigene Erinnerung daran ausgelöscht. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie hoffte inständig, dass Betsey sich täuschte, was die Eselin anging. Heute Abend hatte sie frei.
Betsey nahm das Marmeladenglas zurück und gab ihr stattdessen eine Limonade. Charlotte war ihr dankbar dafür, dass sie das Thema wechselte und auf Dexter, ihren Corgi, zu sprechen kam. Er habe am Morgen auf dem rechten Hinterbein gehumpelt, später am Strand jedoch sämtliche Krabben verfolgt, es handle sich also bestimmt nur um Morgensteife, nicht wahr? Charlotte hörte zu und nickte mit einem Gesichtsausdruck, von dem sie hoffte, dass er professionell wirkte. Sie war die einzige Tierärztin auf der Insel im Grunde hätte sie so oft über die Stränge schlagen können, wie sie wollte, die Inselbewohner hätten sie trotzdem weiter konsultieren müssen. Trotzdem, Charlottes Ansicht nach war einmal schon zu viel.
In diesem Moment sah sie Levi Mendoza durch die Dämmerung und den Lagerfeuerrauch auf sich zukommen, die dunklen Haare noch nass vom See, die Zähne strahlend weiß, als er sie erblickte und grinste. Charlotte war sich ihres eigenen Herzens noch nie so bewusst gewesen wie in diesen letzten Wochen mit Levi, hatte noch nie so sehr gespürt, wie kraftvoll und eigenständig dieser Muskel in ihrer Brust schlug, wie sehr er auf diesen charismatischen Mann reagierte, der sich ihr nun im Halbdunkel näherte. Levi schien sie verzaubert und in eine andere Frau verwandelt zu haben. Die verkrampfte, befangene Charlotte war von den Zwängen ihrer bisherigen Londoner Existenz befreit worden, hatte alles Theoretische, Defensive, Vorsichtige abgestreift. Wenn sie mit Levi zusammen war, sprach sie aus, was sie gerade dachte, kannte keinerlei Zurückhaltung, obwohl ebendiese Zurückhaltung bisher ihre Religion gewesen war. Sie erkannte sich in dieser neuen Charlotte kaum wieder, wusste eins jedoch genau: Ihr neues Ich war gefährlich, schwer aufrechtzuerhalten und vermutlich eine Verbesserung.
Nun lagen Levis Hände um ihre Taille, und er zog sie mit sich in den Schatten der Bäume, weg vom gedämpften, gelblichen Licht der Kerzen, die auf Betseys Klapptisch-Bar flackerten.
»Wie lange gedenkst du noch auf dieser Party zu bleiben?«
Er fragte es dicht an ihrem Ohr, und seine Finger hatten begonnen, hauchzart an der Innenseite ihres Oberschenkels hinaufzuwandern.
»Wir sind doch gerade erst gekommen! Ich dachte, ich muss für dich auf einer Wiese im Mondschein tanzen, während du ein Band durch die Luft schwingst. Oder so.«
Levi lachte, ihr Lieblingsgeräusch.
»Ich bin nicht hier, um bei einem uralten Balzritual eine Jungfrau auszuwählen, Dolittle. Ich weiß genau, mit wem ich nach Hause möchte und was ich dort vorhabe. Wenn dir nach Tanzen zumute ist, können wir das gern in den eigenen vier Wänden erledigen.« Ihre Hand schlüpfte besitzergreifend unter sein T-Shirt und strich genüsslich über seinen Rücken. Für einen Moment hielt er sie fest, und sie wiegten sich hin und her, als würde gerade eine Ballade ertönen un…
Weitere Informationen
- Allgemeine Informationen
- Sprache Deutsch
- Gewicht 384g
- Autor Francesca Segal
- Titel Entscheidungen auf Tuga
- Veröffentlichung 11.07.2025
- ISBN 978-3-0369-5077-8
- Format Fester Einband
- EAN 9783036950778
- Jahr 2025
- Größe H190mm x B125mm x T26mm
- Herausgeber Kein + Aber
- Anzahl Seiten 416
- Übersetzer Verena Kilchling
- Auflage 1. Auflage
- Genre Erzählende Literatur & Romane
- Lesemotiv Entspannen
- GTIN 09783036950778