Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit

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Details

Die Beiträge des Bandes analysieren frühneuzeitliche Personenkonzepte. Sie nähern sich so einer grundlegenden Kategorie der europäischen Geschichte, der sog. Individualisierung. Seit Jacob Burckhardt wird Individualisierung als Ausgangspunkt moderner Lebenshaltungen in Europa gehandelt und gerne als nicht hinterfragbare Einheit verstanden. Der vorliegende Band hinterfragt die sog. frühneuzeitliche Individualisierung, indem er diese in ihre einzelnen Bestandteile aufbricht.

Autorentext
Kaspar von Greyerz, geboren 1947, ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Basel.

Klappentext

Die "Schriften des Historischen Kollegs" werden herausgegeben vom jeweiligen Vorsitzenden des Kuratoriums des Historischen Kollegs: bis 2011 von Herrn Professor Dr. Lothar Gall, ab 2012 durch Herrn Professor Dr. Andreas Wirsching. Zum Historischen Kolleg: http://www.historischeskolleg.de/


Zusammenfassung
"Künftige Forschungen zu den komplexen und facettenreichen Individualisierungsprozessen in der Frühen Neuzeit sollten diesem Beispeil unbedingt folgen." Michael Rohrschneider, H-Soz-u-Kult "Malgré son hétérogénéité, ce recueil trouve sa cohérence dans la perception du concept d'individualisation, qui ne peut pas uniquement se comprendre comme un processus linéaire initié par les élites, auxquelles l'écriture sur soi aurait permis de prendre conscience de leur individualité." Sandie Gautier, Bulletin d'information de la mission historique francaise en allemagne, Nr. 44 2008 "Ein Personenregister rundet diesen Band ab, der einen ebenso informativen wie facettenreichen - und nicht zuletzt auch gut lesbaren - Einblick in die vilefältige Quellengattung der Selbstzeugnisse bietet und die aktuellen Entwicklungen innerhalb dieses lebendigen Forschungsfeldes weiter bereichern und fördern dürfte." Gesine Carl, Zeitschrift für Historische Forschung, Bd. 37, Heft 2, 2010

Leseprobe
" Maike Christadler (S. 63-64)

Abwesend anwesend

Spuren des Künstlers in der Kunstgeschichte und in seinem Werk

In Geschichte und Literaturwissenschaft werden Individualisierungsweisen"" anhand von Texten rekonstruiert, die meist längere Erzählungen sind. Die Autoren und Autorinnen schreiben von ihrem Leben, ihren Erfahrungen und Vorstellungen und liefern deren Interpretationen. Dabei sind sie von ihrem sozialen Umfeld ebenso geprägt wie von rhetorisch-literarischen Modellen, die ihrerseits Einfluß auf ihre Wahrnehmung haben, und die dennoch das Individuum erkennen lassen, das den Verschriftlichungs-Modellen seine Singularität entgegen setzt.

Die Kunstgeschichte dagegen hat vornehmlich mit Bildern zu tun, die meist keinen längeren zeitlichen Ablauf repräsentieren, also keine Narration einer Vita sind, sondern einen bestimmten Zustand festhalten. Wenn dieser von den Betrachtern als autobiographisch wahrgenommen wird, handelt es sich meist um die Abbildung des eigenen Selbst, um ein Selbstportrait des Künstlers. Doch schon die Definition eines Konterfeis als Selbstbildnis bedarf meist der Zuschreibung, denn es ist historisch keineswegs immer gesichert, um wessen Antlitz es sich handelt.

Oft ist es also die Autorität der Disziplin Kunstgeschichte, die ihrem gemeinhin wichtigsten Gegenstand, nämlich dem Künstler, ein Gesicht verleiht. Im ersten Teil des folgenden Textes wird es um die Methoden der Kunstgeschichte gehen, mit denen sie das Künstler-Individuum konstruiert. Im zweiten Teil stehen dagegen Strategien im Zentrum, derer sich frühneuzeitliche Künstler bedienen, um ihre Autorschaft im Bild zu visualisieren, bzw. sich selbst als Individuen in ihren Werken zu konstituieren.

In der Kunstgeschichtsschreibung fungiert das Portrait, vor allem des 15. und 16. Jahrhunderts, als Zeichen für Individualisierung schlechthin schon Jacob Burckhardt erkannte die Entstehung des Individuums aus der Portraitmalerei. Diese habe eine immer größere Abbildungsgenauigkeit erreicht, als sie immer stärker individualisierten Ansprüchen genügen mußte2. War das Portrait zunächst den sozialen Oberschichten vorbehalten gewesen, werden die Künstler im Zuge der zunehmenden Verbreitung der Gattung selber bildwürdig, und die ersten Künstlerselbstportraits entstehen.

Wie ein Text auch, ist das Selbstbildnis jedoch zunächst der Gattung verpflichtet, dem Portrait, und folgt außerdem den Regeln und Möglichkeiten der malerischen Selbstdarstellung, erlaubt also keinen, authentischen Blick auf eine historische Person. Die Interpretation des Selbstportraits als vera icon eines großen Meisters ist vielmehr konstitutiv für eine Kunstgeschichtsschreibung, die die Authentizität eines Schöpfer-Künstlers zu ihrer Legitimierung nutzt.

Die Kunstgeschichtsschreibung, das Portrait und die Konzeption des modernen Künstlers sind eng miteinander verbunden. Denn im Moment seiner visuellen (Selbst-)Repräsentation konstruiert auch die Kunstgeschichte den Künstler als individuellen Schöpfer4. So hat Vasari in der zweiten Ausgabe seiner Vite de più eccellenti pittori, scultori ed architettori"" (Florenz 1568) das Portrait des jeweiligen Künstlers seiner Lebensbeschreibung vorangestellt. In diesem, häufig als Gründungstext der Kunstgeschichte bezeichneten Werk, wird das Bild mit der biographischen Narration verquickt zur Interpretation des (Selbst)Portraits wird also meist die schriftliche Quelle der Lebensbeschreibung herangezogen."

Inhalt

Kaspar von Greyerz: Einführung I. Die lange Zeitschiene Gabriele Jancke: Patronagebeziehungen in autobiographischen Schriften des 16. Jahrhunderts - Individualisierungsweisen? Rudolf Dekker: Briefe von Seeleuten an Bord niederländischer Schiffe und ihrer Familien im 17. und 18. Jahrhundert Gudrun Piller: Private Körper. Schreiben über den Körper in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts II. Transkulturalität und Interdisziplinarität Maike Christadler: Abwesend anwesend. Spuren des Künstlers in der Kunstgeschichte und in seinem Werk Rotraud Ries: Individualisierung im Spannungsfeld differenter Kulturen: Positionsbestimmungen und experimentelle Neudefinitionen in der jüdischen Minderheit Suraiya Faroqhi: Ein Istanbuler Derwisch des 17. Jahrhunderts, seine Familie und seine Freunde: Das Tagebuch des Seyyid Hasan III. Handwerker und Frauen James S. Amelang: Saving the Self from Autobiography Sara H. Mendelson: Life-writing as letter-writing: The correspondence of Anne Dormer and Elizabeth Trumbull IV. Oktroyierte Identitäten Valentin Groebner: Erasmus' Bote. Wer braucht wieviel Individualität im 16. Jahrhundert? Peter Becker: Der Verbrecher als 'Autor'. Inschriften und Zeichnungen im Wiener Polizeigefangenhaus, ca. 1920

Weitere Informationen

  • Allgemeine Informationen
    • GTIN 09783486582369
    • Editor Kaspar von Greyerz
    • Schöpfer Elisabeth Müller-Luckner
    • Sprache Deutsch
    • Auflage 07001 A. 1. Auflage
    • Größe H241mm x B159mm x T18mm
    • Jahr 2007
    • EAN 9783486582369
    • Format Fester Einband
    • ISBN 978-3-486-58236-9
    • Veröffentlichung 22.10.2007
    • Titel Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit
    • Untertitel Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive
    • Gewicht 509g
    • Herausgeber De Gruyter
    • Anzahl Seiten 201
    • Lesemotiv Verstehen
    • Genre Neuzeit bis 1918
    • andere Elisabeth Müller-Luckner

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