Maskendiebin
Details
«Ich versuchte meinen pochenden Kopf zu beruhigen und presste mir gleichzeitig die flache Hand auf den Mund. Daron Lendris war kein Fremder. Ich hatte ihn längst getroffen.»
Die Möglichkeit, der Schwarzen Garde nach zehn Jahren schweißtreibender Ausbildung beizutreten, ist für Talya endlich zum Greifen nah. Nichts hat sie sich all die Jahre mehr gewünscht. Ein letzter Auftrag der Akademie soll zeigen, ob sie tatsächlich die Fähigkeiten besitzt, um in die beste und begehrteste Armee Eldranths aufgenommen zu werden. Lediglich ein einziges Leben steht zwischen ihr und der schwarzen Uniform. Das Leben eines Maskendiebes, der alles dafür tun würde, die Akademie zu vernichten.
Und doch ist ausgerechnet er der Grund, weshalb Talya beginnt, an allem zu zweifeln, was sie bisher zu wissen glaubte.
Vorwort
ZEHN JAHRE ZUVOR Prolog Meine Füße brannten, während ich über die gepflasterten Steine von Eldranths Straßen rannte. Meine Schuhsohlen waren dünn und ich wünschte, Großmutter würde noch leben, um sie ein weiteres Mal flicken zu können. Schuhe waren nicht leicht zu stehlen. Wenn ich Pech hatte, würde ich den herannahenden Winter barfuß verbringen müssen. Ein kleiner Stein rammte sich in meine Ferse und ich musste den Drang unterdrücken, nicht laut aufzuschreien. Nur nicht auffallen, Talya. Ich hörte die Stimmen der Gardisten hinter mir. Sie kamen näher, viel schneller als ich gedacht hatte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, das Tempo noch ein weiteres Mal anzuziehen, doch meine Beine brannten schon jetzt. Sie durften mich nicht finden. Nicht jetzt, wo ich kurz davor war, Henry tatsächlich helfen zu können. Ich umfasste die wertvollen Kräuter in meiner Hand fester, ehe ich nach links abbog. Ich kannte die Stadt gut, vermutlich sogar besser als die Gardisten der Akademie. Die kleine Seitengasse war abgelegen. Kaum eine Menschenseele verirrte sich in diesen Teil der Stadt. Die Händler und Besucher hielten sich meistens nur im Stadtkern auf. Die Straßen inmitten der Stadt waren ausgebaut, wenn auch etwas in die Jahre gekommen. Eldranth war keine besonders wohlhabende Stadt, doch fand man im Stadtkern einige Gebäude mit schönen Fassaden oder ein paar kleine, verzierte Brunnen. Das meiste Geld behielt die Akademie, in der die Gardisten trainierten, für sich. Sie war von hohen, schwarzen Mauern umgeben und niemand wusste so wirklich, was dahinter geschah. Doch ich hielt mich nicht oft in der Nähe des großen, eindrucksvollen Gebäudes auf. Die Wachen wussten neugierige Blicke in das Innere dieser kleinen Festung, wie Henry es nannte, zu verhindern. Aus diesem Grund war ich meistens hier am Rande der Stadt, wo die Häuser heruntergekommen waren und der Müll sich am Straßenrand stapelte. Gassen wie diese hier waren gemacht für Diebe, Schläger und kleine, arme Menschen wie mich. Zitternd versteckte ich mich hinter einer hohen Steinwand und hielt die Luft an, um jeden erdenklichen Ton zu unterdrücken. Ich hörte die lauten Schreie der Schwarzen Garde und presste mich enger an die Wand. Ihre Stimmen waren rau und scharf, wie es typisch für die Krieger der Akademie war. Ich wusste nicht viel über die Männer Eisenklinges, doch unter den Einwohnern Eldranths waren sie unter einem einzigen Wort bekannt: Todeskrieger. Allein ihre schweren Schritte in der Ferne zu hören, ließ mich jedes Mal zusammenzucken. Sie wurden für das Töten ausgebildet und schreckten vor nichts zurück. Vermutlich hatten sie weder Gefühle, noch fühlten sie irgendeinen Schmerz. Aber ich durfte nicht aufgeben - nicht heute. Henry hatte so viel für mich getan. Das hier war ich ihm schuldig. Ich versuchte meine Atmung zu beruhigen, schließlich waren die Gardisten nicht hinter mir her. Der Kauf von fremden Kräutern war zwar nicht erlaubt, aber der, den sie hier in den Straßen suchten, hatte weitaus Schlimmeres getan. Ein Maskendieb. Ein Mensch, der sein Gesicht verändern konnte, wann immer er wollte. Die Schwarze Garde jagte sie schon seit Jahren, doch die Diebe waren schlau und wussten sich zu verstecken. Sie waren Menschen, die Masken, gefüllt mit flüssigem Silber, trugen. Masken, die sich an jede kleine Falte anpassten und das Gesicht sowie den Körper veränderten. Sie ermöglichten dadurch ein neues Leben. Durch die Masken bekamen diese Menschen die einmalige Chance, das Leben zweier Personen zu führen. Es war beinahe Zauberei. So war es durch die Masken möglich, Haar, Haut und sogar Stimme zu verändern. Wann immer die Diebe entdeckt wurden, war es für sie ein Leichtes, einfach in ihr zweites Ich zu schlüpfen und inmitten aller anderen Personen abzutauchen. Dann mussten sie nur einige Zeit warten, ehe sie mit der Maske wieder ihr ursprüngliches Aussehen annehmen konnten. Diese Menschen waren wandelnde Mysterien. Ich lachte stumm. Henry hatte die Geschichten geliebt, doch einen Maskendieb gesehen hatten wir noch nie. Ich fragte mich, ob diese magischen Masken tatsächlich existierten, oder ob die Männer und Frauen lediglich gewöhnliche Diebe waren, die es schafften, lautlos unterzutauchen. Vermutlich hatte man solche Geschichten erfunden, um Menschen wie Henry zu begeistern. Ich überlegte, ob ich schon jetzt zu ihm laufen sollte, doch unser kleiner Unterschlupf war noch vier Straßen entfernt und die Schreie der Männer noch immer zu laut. Die Schwarze Garde hielt sich geordnet auf den Hauptstraßen auf und wenn ich mich noch wenige Minuten ruhig verhalten würde, könnten sie diese Straße vielleicht einfach übersehen. Die Uhr zeigte schon weit nach neun und es war verboten, zu dieser Zeit noch auf den Straßen umherzuwandern. Wenn sie mich fanden, würden sie mich fragen, was ich hier draußen täte, und ich würde die Kräuter abgeben müssen. Henry wird dann sterben. Mein Kopf pochte unangenehm bei diesem Gedanken. Doch ich ließ mich nicht ablenken. Ich würde es schaffen. Die lauten Trommeln ertönten von der Akademie her und ich zählte stumm die Schläge. Sieben Stück, die Abfolge kam schnell. Das Zeichen, dass sie den Feind noch immer nicht gefunden hatten. Was bedeutete, dass die Männer noch länger in dieser Nacht hier sein würden. Ich fluchte innerlich. Henry brauchte die Kräuter dringend. Nervös verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere, unsicher, ob ich doch schon zurückkehren sollte. Die Schwarze Garde war nicht unser Feind, schließlich schützten sie uns vor den Dieben und den gefährlichen Auftragsmördern, die sich von Drachenstein, der Akademie südlich unserer Stadt, abgewandt hatten. Die meisten Einwohner Eldranths waren dankbar für ihre Hilfe, schließlich waren die Straßen hier unten gefährlich. Nicht selten kam es auf dem Marktplatz zu heftigen Schlägereien. Und doch hatte ich jedes Mal größere Angst vor den Männern in den schwarzen Uniformen. Sie waren riesig, mindestens zwei Meter und ihre Augen funkelten dunkel, wenn sie dem Feind gegenüberstanden. Sie waren für das Morden ausgebildet worden. Ich wollte nicht, dass sie mich in eine der dunklen Zellen der Akademie steckten. Schon gar nicht jetzt, wo Henry um sein Leben kämpfte. Ich drehte mich zur Seite, wollte gerade nach den Kriegern Ausschau halten, als es plötzlich neben mir knackte. Ich schrie auf, presste mir aber kaum einen Wimpernschlag später die Hand auf den Mund und lauschte ängstlich, ob man mich gehört hatte. Hektisch warf ich den Blick nach rechts und hätte fast erneut einen Schrei ausgestoßen, als ich eine schmale Gestalt im Dunkeln ausmachte. Verdammt. Sie haben mich gefunden. »Psst, schrei bitte nicht.« Die Stimme war sanft, ganz anders als das Brüllen der Krieger. »Keine Angst, alles ist gut.« Ich sah, wie die Person mit wenigen Schritten näherkam. Erst, als sie kaum noch eine Armlänge entfernt war, erkannte ich das elegante Gesicht einer Frau. Sie wollte nach mir greifen, doch ich war schneller. Ruckartig duckte ich mich und kroch instinktiv einige Meter nach hinten. Die Kräuter fielen zerstreut auf den Boden und vermischten sich mit Schlamm und Regenwasser. Ich hatte all meine Ersparnisse für di…
Weitere Informationen
- Allgemeine Informationen
- GTIN 09783989424142
- Auflage Erstauflage
- Editor Wreaders Verlag
- Sprache Deutsch
- Genre Fantasy
- Lesemotiv Eintauchen
- Anzahl Seiten 286
- Größe H210mm x B148mm
- Jahr 2024
- EAN 9783989424142
- Format Kartonierter Einband
- ISBN 978-3-98942-414-2
- Veröffentlichung 31.07.2024
- Titel Maskendiebin
- Autor M.S. Krüger
- Untertitel Lügen und Licht
- Herausgeber NOVA MD